EZB-Inflationsziel sollte nicht auch 2027 unterschritten werden

03.07.2025 / 14:21 Uhr

Von Hans Bentzien

DOW JONES--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bei seinen Beratungen vom 3. bis 5. Juni darüber diskutiert, ob das voraussichtliche Unterschreiten des EZB-Inflationsziels von 2 Prozent im Durchschnitt des Jahres 2026 ein Problem darstellen könnte. Während die geldpolitischen "Tauben" diese Frage laut dem jetzt veröffentlichten Sitzungsprotokoll durchaus bejahten, fanden die "Falken" eher Argumente dagegen. Was aber auch sie gerne verhindern würden, wäre eine Inflationsrate von unter 2 Prozent im Folgejahr.

"Solange die projizierte Unterschreitung nicht ausgeprägter wird oder die Rückkehr zum Zielwert im Jahr 2027 beeinträchtigt, und sofern die Inflationserwartungen verankert bleiben, dürften die für die nahe Zukunft erwarteten schwachen Inflationszahlen beherrschbar sein", heißt es in dem Dokument. Laut den Anfang Juni veröffentlichten Stabsprojektionen sieht die EZB die Inflation 2025 bei 2,0 Prozent, 2026 bei 1,6 Prozent und 2027 wieder bei 2,0 Prozent. Die nächsten Projektionen, die dann wieder vom volkswirtschaftlichen Stab der EZB alleine erstellt werden, werden im September veröffentlicht.

Als mildernde Faktoren führten die "Falken" in der Diskussion an, dass die niedrige Inflation teilweise von einem negativen Basiseffekt bei den Energiepreisen ausgelöst und von der Aufwertung des Euro verstärkt werde. "Die Abweichung nach unten sollte nicht überbetont werden, zumal sie auf volatilen externen Ursachen beruht, sie sich leicht umkehren können", heißt es.

Die "Tauben" dagegen sahen die Gefahr, dass ein Unterschreiten des Inflationsziels für 18 Monate schon als "mittelfristig" angesehen werden könnte und die 2026 anstehenden Tarifabschlüsse entsprechend beeinflussen würden. Außerdem verwiesen sie darauf, dass die niedrige Inflation nicht alleine auf Energiepreise und den Wechselkurs, sondern auch auf die schwache Nachfrage und die erwartete Abschwächung des Lohnwachstums zurückzuführen sei. "Zudem bleiben Timing und Ausmaß der fiskalischen Expansion unklar", argumentierten sie laut Protokoll.

Die Inflation im Euroraum lag laut der jüngsten Schätzung von Eurostat im Juni bei genau 2 Prozent. Für die nächsten Monate wird jedoch mit einem Rückgang gerechnet. Es ist etwa vier Jahre her, dass sich die EZB zuletzt Sorgen über eine zu niedrige Inflation gemacht hat. Zwischen 2013 und 2020 hatte die Inflation meistens unter 2 Prozent gelegen, was die EZB zu einer außerordentlich lockeren Geldpolitik mit zeitweilig negativem Leitzins und milliardenschweren Anleihekäufen veranlasst hatte.

Ihr 2021 gefasster Vorsatz, besonders hartnäckig auf ein Unterschreiten des Inflationsziels zu reagieren, fiel in eine Zeit stark steigender Inflationsraten. Auf diese Entwicklung reagierte die EZB mit einiger Verzögerung, wie sie heute selbst einräumt. Eine Folge war die abermalige Überarbeitung ihrer geldpolitischen Strategie, die erst in dieser Woche vorgestellt wurde.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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July 03, 2025 08:20 ET (12:20 GMT)

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